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August 2024 ,
ich komme morgens mit einer Fuhre Heu zu meinen Pferden. An der ersten Heuraufe begrüßt mich nur meine Chefstute, ihre Freundin, die sonst immer besonders nervig, ihre Nase sofort in der Heutüte und dann mit vollem Maul am besten direkt über meinem Kopf kauend, mich hier erwartet, ist nicht zu sehen. In mir kommt der Gedanke "oh nein, sie hat sich irgendwie verletzt, ich habe wohl wieder einen Hinweis übersehen, so dass sie mich auf diese Art auf etwas aufmerksam machen möchte".
Ein mulmiges Gefühl bahnt sich seinen Weg durch meinen Körper während ich weiter das Heu verteile. Denn das Heu stehen lassen und nach ihr schauen gehen würde sehr großes Chaos verursachen. Am Ende läge alle Heu im Dreck und einige Pferde würden sich jagen, treten und beißen, um an dieses Heu ran zu kommen.
Langsam komme ich zum Weg, der zum Unterstand führt. Dort steht sie, Rafinesse und sie streckt bzw. wirbelt seltsam ihren Kopf umher. Ein Zeichen dafür, dass sie Schwung holen möchte, um weiter zu gehen, aber wohl Schmerzen hat und einfach so nicht laufen kann. Ihr linkes Hinterbein hält sie in die Luft, sie mag es nicht abstellen. Äußerlich ist keine Fleischwunde zu sehen. Das beruhigt mich schon sehr.

Nachdem alles Heu verteilt ist, die Herde in Ruhe frisst und Rafinesse immer noch dort steht, gehe ich zu ihr. Streichel sie und bemerke, dass ihr Knie hinten links seltsam aussieht. Ein Vergleich mit dem rechten Knie macht klar, dass das linke Knie irgendwie nicht normal aussieht. Raffinesse ist eine Westfalen-Stute, also sehr hochbeinig, nicht die leichteste und wenn sie so auf 3 Beinen schon länger steht, dann wird ihr schnell alles weh tun und sie wird verspannt sein oder werden. Na super.
Ich versuche sie, zum Gehen zu bewegen. Sie mag nicht, humpelt dann aber doch zum Heu. Sie zeigt mir dabei, dass sie das Bein nicht strecken und demnach nicht darüber abrollen kann. Ich telefoniere herum, um herauszufinden, wer sich mit Kniescheiben auskennt. Es sieht so aus, als sei sie draußen, also nicht mehr da, wo sie innerhalb des Gelenks hin gehört.
Die Menschen, die ich kenne und die eventuell helfen könnten, sind im Urlaub. Im Internet steht, dass die einfache Form des "Kniescheibe raus" nach oben ist. Dann kann das Pferd aber das Bein nicht mehr beugen. Was in meinem Fall nicht passt. Aber diesen Fall kann man mit Schütteln des Beines und leichten Kreisbewegungen wieder lösen. Da die Kniescheibe eigentlich von grob 3 Bändern in ihrer Position gehalten wird. Wenn die Kniescheibe zur Seite raus ist, was sehr sehr selten vorkommt, dann kann das Pferd das Bein nicht mehr strecken. Ja, das ist dann wohl bei Rafinesse der Fall. Beim Weiterlesen wird klar, dass man das kaum mechanisch rückgängig machen kann. Wenn dann ein super Chiropraktiker oder eine OP nötig wird.
 
Das kommt aber alles überhaupt nicht in Frage, preislich und handwerklich nicht. Aber so kann ich sie auch nicht rumlaufen lassen. Meine große Tochter, gerade in der Tierheilpraktiker-Ausbildung wirft auch einen Blick drauf und sagt das Gleiche. Die Kniescheibe ist wohl raus, und zwar zur Seite. Was soll ich tun?
Abends nach vielen frustrierenden, gesammelten Inormationen, Rafinesse humpelt immer noch auf 3 Beinen, frage ich bei Raffinesse selber nach, was sie denn meint, was ich machen sollte. Sie schaut mich gar nicht so schlecht gelaunt an und wirft mir im Geiste den Ball zu. Hm, sie meint also, ich bin dran. Ich frage sie noch, wie das passiert ist. Sie sagt, "sie ist beim Aufstehen nach dem Schlafen ganz komisch in ein Loch getreten und hat sich das Bein verdreht.  Dann war es schon passiert. Mehr weiß sie nicht mehr."
Also, wenn sie mich auf mich selbst zurück wirft, dann wird das einen Grund haben. Meistens will sie mir damit etwas zeigen.
Ich frage mich also "was kann ich denn schon alles?" Sofort fällt mir ein, ich könnte ihr einiges übrmalen. Da fallen mir ihre Verspannungen und das Thema "Schmerzen" ein, die sicher schon die anderen Beine und den Rücken betreffen, diese drehe ich mit einem Sinus über den entsprechenden Hinweisen um. Ausserdem kann ich ihr für das ganze linke Hinterbein Entspannung mit dem entsprechenden Symbol verstärken. Damit dürfte sich ihr gesamter Körper schon einmal angenehmer anfühlen.
Rafinesse gibt mir ein Bild vom "Einweichen" mit in den Schlaf. Das fühlt sich gut an.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, weiß ich, was zu tun ist. Ich rede mit meiner Nachbarin,  mit der ich schon so manches gerettet habe, und erkläre ihr ganz grob den Aufbau der Bänder und Knochen, rund um die Kniescheibe. Ich erkläre ihr, was wir jetzt machen: "während ich das Bein in der Luft halten und schütteln werde, soll sie mit beiden Händen und vorallem mit beiden Daumen ins Gelenk, mit einer Bewegung von unten nach oben, beherzt reingreifen". Ich verschwende keinen Gedanken daran, was dabei alles schief gehen könnte. Ich stelle mir vor, wie die Kniescheibe dann wieder in ihre eigentlich Position von oben hereinrutscht.
Wir gehen zu den Pferden und wir finden Rafinesse,  als wüsse sie, dass wir jetzt etwas mit ihr machen wollen, eingeparkt, zwischen ihren besten Freunden. Sie macht den Eindruck von gestern abend auf mich, eingeweicht und entspannt.
Wir verlieren keine Zeit, damit ja kein falscher Gedanke aufkommen kann. Ich nehme das Bein ein wenig nach hinten bewegend in die Hand und schüttel es sanft. Rafinesse ist sehr aufmerksam, aber sie legt weder die Ohren an, noch geht sie gegen meine Bewegung. Als ich das Gefühl habe, dass das Bein sanft mit mir schwingt, gebe ich Anna das Zeichen zum Reingreifen. Wie erwartet tut sie genau das. Wir bemerken, dass Rafinesse kurz wie erstaunt innehält,wir lassen beide das Bein los. Rafinesse streckt das Bein zu Boden und macht sehr seltsame vor und Rückbewegungen mit dem Körper, als wolle sie testen, ob sie über das Bein drüber gehen kann. Dann hält sie inne. Der Huf hat Bodenkontakt.  Ich schau Anna an und wir gehen. Wir wollen sie jetzt in Ruhe lassen und nachmittags wieder nach ihr schauen. Unser Gefühl ist ein Gutes, obwohl ich jetzt direkt am Aussehen des Kniegelenks nicht feststellen könnte, ob es wieder ok ist.Rafinesse wirkt ganz ruhig.

Am Nachmittag gehe ich hinter zu Rafinesse und bin sehr erfreut, beide Knie sehen wieder gleich aus. Sie hat den Huf am Boden, nicht mehr in der Luft. Ich lasse sie ein paar Schritte gehen, da gerade Heu nachgelegt wird, ist Motivation genug da, und ich freue mich, zu sehen, dass sie zwar noch humpelig aber auf allen 4 Beiden läuft. Auch bei der Bewegung sieht das Kniegelenk wieder völlig normal aus. Ich bin sehr froh darüber.

Es dauert noch eine Woche, bis sie wieder richtig gut laufen kann, wobei traben einfacher geht als Schritt, die Übermalungen lasse ich ausschleichen und ausklingen, damit sich alles wieder normalisieren kann.
Nach einem Monat kann man noch in engen Kurven sehen, dass sie mit dem linken Knie sehr vorsichtig geht. Ansonsten ist alles wieder heile.
Ich habe sie dann noch einmal gefragt wieso das jetzt passieren musste, sie hat mir damit einen großen Schreck eingejagt. Sie meinte, "ansonsten wüsstest du jetzt immer noch nicht, dass sogar das, ohne externe Hilfe möglich ist."